Portrait Author

Branding der eigenen Agentur – die Operation am eigenen Herzen

Dass Chirurgen ihre eigenen Angehörigen nicht gerne operieren, ist bekannt. Und verständlich: wenn es um schwierige Eingriffe geht, ist emotionale Befangenheit nicht förderlich. Sie steht der Ratio in Weg, der kühle Kopf fehlt, die ruhige Hand wird zittrig. Noch schlimmer wird es, wenn Ärztinnen und Ärzte sich selbst kurieren. Da kommen die abenteuerlichsten Therapien zum Einsatz – nicht immer zu ihrem Besten.

Ähnliches kann passieren, wenn eine Kommunikationsagentur beschliesst, ein Rebranding durchzuführen oder sich neu formiert. Ein Name muss her, ein Logo, eine Webseite, Visitenkarten, Briefpapier, Couverts! Und natürlich muss diese Corporate Identity alles bisher Dagewesene übertreffen – schliesslich ist man Profi, man darf sich bestimmt keine Blösse erlauben in der eigenen Königsdisziplin.

Wie kreiert ein Team, das immer Marken für andere kreiert, die eigene Marke?

Viele Agenturen lösen das Problem, indem sie Teile des Prozesses einfach überspringen. Naming? Furchtbar anstrengend. Alle, die schon mal einem Kind einen Namen geben mussten, kennen das. Es ist hoch emotional, ein Name ist Teil der Persönlichkeit, er ist wegweisend und weckt bei jedem Menschen andere Assoziationen. Also am besten das Naming grad weglassen und der Firma die eigenen Nachnamen geben. Deswegen hören sich viele Agenturen an wie Anwaltskanzleien oder Architekturbüros. Müller+Meier Kommunikation. Wieso nicht – es funktioniert.

Logo? Ist Knochenarbeit. Es geht darum, das perfekte Markenzeichen für die Firma zu kreieren. Ein gutes Logo weckt Emotionen, bringt die Firmenwerte auf den Punkt und brennt sich unwiderruflich ins Gedächtnis des Betrachters. Die Design-Abteilung kann Wochen, Monate investieren, um den richtigen Look zu finden. Welche Farben wählen, welches Signet? Braucht es überhaupt ein Signet? Es kommt nicht von ungefähr, dass sich viele Agenturen entscheiden, es einfach beim Schriftzug zu belassen – denn nur schon die Suche nach dem richtigen Font führt zu hitzigen Diskussionen. Es ist wie bei den Ärzten: Wenn man zu viel Hintergrundwissen hat, verheddert man sich darin, sobald die Emotionen mit im Spiel sind.

Damit das nicht falsch verstanden wird: Es hat durchaus seine Berechtigung, sich auf den Standpunkt zu stellen, dass eine Agentur sich nicht durch ein eigenes Corporate Design zu profilieren hat, sondern durch diejenigen, die sie für ihre Kunden kreiert. Nur, wo bleibt dann der Spass an der Sache?

State of the Art – lernen von den besten

Man kann es auch anders angehen. Wie wäre es, wenn man als Agentur die Regeln befolgt, die man seinen Kundinnen und Kunden immer predigt?

  • Finden Sie ihre Vision, definieren Sie, wer Sie sind und formulieren Sie daraus die Kernbotschaft, die Ihre Marke transportieren soll.
  • Seien Sie authentisch und originell.
  • Seien Sie konsistent.
  • Stellen Sie ein realistisches Timing auf – nicht einmal Rom wurde an einem Tag gebaut.

Nun, das wäre bestimmt ein guter Weg. Aber seien wir realistisch (und hier sind wir wieder beim Ausgangs-Problem): Dazu fehlen in der Regel die Zeit und vor allem die Distanz. Was wir in Ruhe und Professionalität für andere machen können, birgt so einige Stolpersteine, wenn wir mit uns selbst beschäftigt sind. Es ist die Operation am eigenen Herzen! Das wissen auch die Besten: Ogilvy, eine der weltweit bedeutendsten Werbeagenturen, hat sich über zwei Jahre Zeit gelassen für das Rebranding, das 2018 lanciert wurde. Mehr noch: das neue Logo wurde nicht einfach inhouse, sondern in Zusammenarbeit mit der Designagentur Collins (ebenfalls eine Branchenleaderin) kreiert. Aber von diesem Luxus können die meisten von uns nur träumen …

Bauchgefühl und Entschlossenheit

Was also tun, wenn die Distanz fehlt, die Emotionen reinfunken und die Ansprüche in luftige Höhen steigen? Wie vorgehen, wenn man als Agentur mehr als einen «Passepartout-Brand» kreieren will, ohne die Aufgabe an jemand anderen zu geben? Wir haben uns dafür entschieden, die Emotionen – wenn sie sowieso schon da sind – für uns spielen zu lassen. Augen zu, aufs Bauchgefühl hören und dann voll durchziehen! Die Suche nach der perfekten Lösung, dem perfekten Namen, dem perfekten Logo ist nie beendet. Aber an einem gewissen Punkt sagt unser Bauch: «Das fühlt sich gut an!». Diesen Moment zu erwischen und dann den Mut zu haben, sich für einen Weg zu entscheiden, ist nicht einfach, aber entscheidend. Denn wenn man sich wohl fühlt, wenn man etwas liebt, trägt man es mit Stolz und Gelassenheit. Völlig egal, was andere sagen. Das gilt für unsere Jeans genauso wie für den Brand der eigenen Firma.

Operation gelungen?

Seit genau zwei Monaten heissen wir jetzt also bom! communication. Und wenn wir gefragt werden, warum (und das werden wir oft), erzählt jeder und jede von uns eine etwas andere Geschichte. Und das ist gut so – denn Marken sind da, um Geschichten zu erzählen. Ist die Operation also gelungen? In diesem Sinne: Ja. Sie war nicht ganz einfach, und wir sind ziemlich froh, dass sie vorbei ist. Denn jetzt können wir uns wieder auf die Marken konzentrieren, die wir aus der nötigen Distanz kreieren, sehen und pflegen können!

Noch mehr Interessantes

alle Blogbeiträge ansehen